Wie Konami Kojimas Matrix-Traum verhinderte
Die Idee klingt wie ein feuchter Traum für viele Videospiel-Fans: Was wäre, wenn Hideo Kojima, der kreative Kopf hinter Meisterwerken wie Metal Gear Solid und Death Stranding, die dystopische Welt von The Matrix in ein Videospiel verwandelt hätte? Diese Vorstellung war Ende der 90er-Jahre tatsächlich eine reale Möglichkeit, doch wurde sie Berichten zufolge von Konami, dem damaligen Arbeitgeber Kojimas, abrupt gestoppt. Die Geschichte einer verhinderten kreativen Allianz wirft ein Schlaglicht auf verpasste Chancen und die manchmal undurchdringlichen Entscheidungen großer Publisher.
Die Wachowskis klopften an: Eine Vision entsteht
Nach dem überwältigenden Erfolg des ersten Matrix-Films im Jahr 1999 waren die Regisseurinnen Lana und Lilly Wachowski auf der Suche nach dem richtigen Visionär, um ihr filmisches Universum in die interaktive Welt der Videospiele zu übertragen. Ihre Bewunderung für Hideo Kojimas cineastischen Erzählstil und seine Fähigkeit, tiefgründige Themen in Videospielen zu verhandeln, führte sie direkt zu ihm. Im Jahr 1999, kurz nach der US-Veröffentlichung des Films, kontaktierten die Wachowskis Konami mit dem Wunsch, ein Treffen mit Kojima zu arrangieren.
Das Treffen fand im Konami-Hauptquartier in Japan statt. Anwesend waren neben den Wachowskis und ihrem Konzeptkünstler Geoff Darrow auch Hideo Kojima selbst, Aki Saito (der später Kojima zu Kojima Productions folgen sollte), Christopher Bergstresser (damals Senior Vice President of Licensing bei Konami Digital Entertainment) und der Konami-Executive Kazumi Kitaue. Die Wachowskis trugen ihre Vision vor und fragten Kojima direkt: „Wir möchten wirklich, dass Sie das Matrix-Spiel machen. Können Sie das tun?“
Das eiskalte „Nein“ von Konami
Die Antwort auf diese wegweisende Frage war ernüchternd und kam nicht von Kojima, sondern von Konami-Executive Kazumi Kitaue. Nachdem Akio Saito die Frage ins Japanische übersetzt hatte, blickte Kitaue die Wachowskis an und antwortete schlicht mit einem „Nein“. Berichten zufolge war dies ein klares und endgültiges Dementi, das keine weiteren Verhandlungen zuließ. Kojima selbst soll sehr an der Idee interessiert und von der Absage zutiefst enttäuscht gewesen sein. Ein weiterer ehemaliger Konami-Mitarbeiter bestätigte später, dass Kojima starkes Interesse an der Adaption zeigte und große Enttäuschung über die Ablehnung empfand.
Eine verpasste Chance: Was ein Kojima-Matrix-Spiel hätte sein können
Die Vorstellung, wie ein Matrix-Spiel unter Hideo Kojimas Leitung ausgesehen hätte, beflügelt die Fantasie vieler Fans. Kojimas Werke sind bekannt für ihre komplexen Erzählstränge, philosophischen Untertöne, Identitätsfragen und die Vermischung von Realität und Fiktion. Themen wie das Konzept einer simulierten Realität, die Suche nach der eigenen Identität und die kritische Auseinandersetzung mit Technologie passen perfekt zu Kojimas kreativer Handschrift.
Man stelle sich ein Spiel vor, das die postmodernen Elemente von Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty mit der visuellen Ästhetik und den Actionsequenzen von The Matrix verbindet. Es hätte ein Spiel sein können, das nicht nur actionreich ist, sondern auch tiefgründige Fragen über unsere Existenz und die Natur der Realität stellt. Kojima selbst bemerkte Ähnlichkeiten zwischen Neos Wandläufen im Film und einem geplanten Charakter namens „Chinaman“ in Metal Gear Solid 2, was die kreative Verbindung zwischen den Projekten unterstreicht. Stattdessen wurden die offiziellen Matrix-Spiele Enter the Matrix (2003) und The Path of Neo (2005) von Shiny Entertainment entwickelt. Diese Spiele waren zwar solide, konnten aber nicht annähernd das Potenzial ausschöpfen, das eine Zusammenarbeit mit Kojima versprochen hätte.
Konamis damalige Strategie und die Folgen
Die Gründe für Konamis Ablehnung liegen wohl in der damaligen Geschäftsstrategie des Unternehmens. Ende der 90er-Jahre und in den frühen 2000er-Jahren konzentrierte sich Konami verstärkt auf „sichere Wetten“ und die Entwicklung von Fortsetzungen erfolgreicher Franchises. Kojimas Projekte waren oft kostspielig und anspruchsvoll, und die Führungsebene wollte ihn Berichten zufolge auf die Entwicklung von Metal Gear Solid 2 fokussiert sehen. Ein großes US-Filmprojekt in Japan entwickeln zu lassen, schien für den konservativen und risikoscheuen Publisher keine Priorität zu haben.
Diese Entscheidung ist im Kontext der generellen Ausrichtung Konamis zu sehen, die später zu einer stärkeren Konzentration auf andere Geschäftsbereiche wie Pachinko-Automaten und Mobile Games führte. Die Ablehnung des Matrix-Projekts für Kojima reiht sich somit in eine Reihe von Entscheidungen ein, die das Verhältnis zwischen dem visionären Entwickler und dem Publisher prägten und letztlich zu Kojimas Abschied von Konami führten.
Fazit: Das Vermächtnis einer verhinderten Matrix
„Die Matrix, die nie war: Wie Konami Kojimas Traumprojekt verhinderte“ bleibt eine der faszinierendsten „Was-wäre-wenn“-Geschichten der Videospielgeschichte. Die verpasste Chance, Hideo Kojima die kreative Freiheit zu geben, das Matrix-Universum zu interpretieren, ist ein prägnantes Beispiel dafür, wie unternehmerische Entscheidungen das Potenzial für wegweisende Kunstwerke beeinflussen können. Es hinterlässt die Spekulationen über ein Spiel, das das Medium revolutioniert haben könnte – erzählerisch, mechanisch und philosophisch. Das eiskalte „Nein“ von Konami verhinderte nicht nur ein potenzielles Meisterwerk, sondern markiert auch einen Wendepunkt in der Beziehung zwischen einem der größten Talente der Branche und seinem damaligen Arbeitgeber.
