COVID-19
Deutschland erwägt Relaunch der Covid-Impfkampagne, um die Unentschlossenen zu überzeugen

Mediziner und Politiker in ganz Deutschland fordern gezieltere Maßnahmen, um diejenigen, die noch nicht gegen Covid geimpft wurden, davon zu überzeugen, ihre Impfungen bei langsamer Aufnahme zu bekommen.
Deutschland erwägt Relaunch der Covid-Impfkampagne, um die Unentschlossenen zu überzeugen
Mehr als 61 Prozent der deutschen Bevölkerung sind vollständig gegen Covid geimpft, 65,9 Prozent haben mindestens eine Dosis erhalten.

Gesundheitsexperten sagen jedoch, dass mehr Abdeckung erforderlich ist, um den Herbst und Winter zu überstehen. Um die Delta-Variante von Covid zu bekämpfen, sollten laut Robert-Koch-Institut (RKI) mindestens 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der 60-Jährigen und älter vollständig geimpft sein.
Jetzt werden neue Taktiken und ein neuer Neustart der Impfkampagne gefordert.
Viele Ungeimpfte seien keine Anti-Vaxer und lassen sich überzeugen, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, der dpa.
„Um diese Unentschlossenen zu erreichen, muss die Impfkampagne in Deutschland komplett neu gestartet werden.“
Der Aufruf zum „Ärmel hochkrempeln“ sei am Anfang nützlich gewesen, sagte er. „Aber jetzt brauchen wir viel gezieltere Kommunikationsmaßnahmen und niedrigschwellige Impfangebote.
„Die Durchimpfungsrate ist deutschlandweit, vor allem aber in den östlichen Bundesländern, zu niedrig“, sagte Reinhardt und fügte hinzu, dass dies angesichts des Herbstes und Winters besorgniserregend sei.
Was machen deutsche Beamte bisher?
Mit einer bundesweiten Kampagne will die Regierung ab kommenden Montag dem Jab-Drive Auftrieb geben.
Gemeinsam mit den Ländern fordert die Regierung, an möglichst vielen Orten – zum Beispiel in Sportvereinen, bei der Freiwilligen Feuerwehr, in Apotheken oder Mehrgenerationenhäusern – leicht zugängliche Angebote zu machen – unter dem Motto : Hier wird geimpft oder ‚hier impfen‘. Impfangebote werden online gestellt unter: www.hierwirdgeimpft.de.
Am Mittwoch plante Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein Treffen mit RKI-Chef Lothar Wieler, um den Stand der Impfkampagne zu besprechen und was noch getan werden kann.
Spahn sagte vor dem Treffen gegenüber RTL Direkt, er sei überrascht, wie viele Menschen noch nicht geimpft seien, obwohl sie nicht dagegen seien.
„Wir wollen ihnen eine einfache Möglichkeit geben (impfen zu lassen)“, sagte er.
Darauf setzen auch die Landesregierungen in Sachsen und Thüringen, den beiden Regionen mit den wenigsten Ersttäuschungen.
„Wir sehen, dass Aufklärung und Gespräche wichtig sind, um noch zögerliche Menschen zu überzeugen“, sagte Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD). Alle verfügbaren Kanäle werden genutzt, sagte sie.
Thüringens Sozialministerin Heike Werner (Die Linke) appellierte an die Bürger, Angebote wahrzunehmen.
„Wir bemühen uns sehr, Impfungen so nah wie möglich an die Menschen zu bringen“, sagte Werner. Sie verwies auf Impfaktionen in Einkaufszentren, bei Sportveranstaltungen und Laufkundschaftsterminen.
Andere sind skeptisch, wie etwa Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD), der am Dienstag sagte, „wir haben viel Aufklärungsarbeit geleistet“. Er verwies auf Brief- und Medienkampagnen sowie leicht zugängliche Angebote. Aber trotzdem gehe alles langsam, sagte er.
„Ich bin jetzt an einem Punkt angelangt, an dem ich denke, dass wir als Politiker vielleicht ausgeschöpft sind“, sagte Müller.
Wie die untenstehende Grafik Our World in Data zeigt, sind die täglichen Impfdosen in Deutschland seit Juli deutlich gesunken.
„Rücksichtslos, sich nicht impfen zu lassen“
Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, rief alle Erwachsenen dazu auf, aus Rücksicht auf Kinder, die nicht geimpft werden können, die schützende Führung zu übernehmen.
„Es ist völlig rücksichtslos, sich nicht impfen zu lassen“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Den Kindern sei in den vergangenen Monaten durch die Schließung von Schulen und Kitas zum Schutz älterer Menschen viel abverlangt worden. Jetzt müsse die Überlegung in die andere Richtung gehen, sagte er.
Der Direktor der Virologie des Universitätsklinikums Essen warnte unterdessen vor einer Überlastung der Intensivstationen.
„Wir schädigen langsam das Gesundheitssystem“, sagte Ulf Dittmer der Rheinischen Post. In seiner Klinik gibt es 23 Covid-Patienten mit schweren Symptomen, davon 20 ungeimpft. Er sagte, der Jüngste sei erst 20 Jahre alt.
Dittmer rief zu einer Diskussion über die Impfpflicht auf. Die Bundesregierung hat dies bislang ausgeschlossen.
„Darüber müssen wir reden“, sagte Dittmer. Er fügte hinzu, dass es in Nordrhein-Westfalen aufgrund der Zahl der Covid-Patienten keine freien Plätze für eine Behandlung mit einer Herz-Lungen-Maschine gebe.